Das Novembermädchen von Katrin Tempel
Bei manchen Büchern muss man unterscheiden zwischen literarischer Qualität und dem Wert der erzählten Geschichte.
Ich möchte hier „Das Novembermädchen“ vorstellen, weil ich die Geschichte der Jüdin Lina Morgenstern, um die es darin geht, für absolut beeindruckend, berührend und erzählenswert halte.
Lina Bauer wurde 1830 in Breslau geboren. Gegen den Willen ihrer Eltern heiratet sie 1854 Theodor Morgenstern. Sie sind sehr glücklich miteinander und bekommen 5 gemeinsame Kinder. Leider gerät Theodor schon 3 Jahre nach der Hochzeit in finanzielle Schwierigkeiten, woraufhin Lina beginnt, Kinderbücher zu veröffentlichen. Damit ist sie sehr erfolgreich und hält die Familie über Wasser.
Lina fällt es sehr schwer, die gesellschaftlichen Missstände und Ungerechtigkeiten ihrer Zeit auszuhalten. Die logische Konsequenz, die sie daraus zieht, ist, dass sie etwas unternehmen muss. So gründet sie z.B. 1859 den „Berliner Frauen-Verein zur Beförderung der Fröbel´schen Kindergärten“. 1840 wurde der erste Kindergarten gegründet, aber bald darauf gab es in Preußen ein Kindergarten-Verbot, das Lina nicht hinnehmen will -mit Erfolg! Auch für die Ausbildung von Erzieherinnen setzt sie sich ein. Außerdem sammelte sie schon als Jugendliche Geld und gründete einen Verein, um Papier und Stifte zu kaufen und so auch armen Kindern zu Bildung zu verhelfen.
In „Das Novembermädchen“ geht es darum, aber nur am Rande. In erster Linie geht die Geschichte in diesem Buch um Linas Einsatz für den armen und hungernden Teil der Berliner Bevölkerung. Und von ihrer grandiosen Idee, große Mengen Nahrungsmittel einzukaufen und zuzubereiten, sodass viele Menschen eine gesunde, warme und günstige Mahlzeit am Tag bekommen können. Bis es wirklich soweit ist, muss sie viel Überzeugungsarbeit leisten und Mitstreiter finden. Aber am Ende werden die „Berliner Volksküchen“ gegründet! Auch nach der Gründung ist Linas praktischer Einsatz in den Küchen ungebremst.
Im Anhang des Buches findet sich übrigens ein kleines Kapitel „Ausgewählte Rezepte aus dem. Kochbuch von Lina Morgenstern“.
Ohne ihren Theodor hätte Lina all das allerdings nicht schaffen können, denn er ist es, der ihr den Rücken frei hält und sich u.a. um die Kinder kümmert. Die beiden sind in jeder Hinsicht ein Paar, das seiner Zeit weit voraus ist!
Natürlich handelt es sich um einen Roman, weshalb sicherlich nicht jede einzelne Begebenheit sich so zugetragen hat. Aber der Autorin Katrin Tempel gelingt es, die historischen Fakten in eine spannende und gut lesbare Geschichte einzubauen. Sie lebt übrigens mit Mann und Tochter gar nicht weit von uns in Bad Dürkheim, hat noch weitere Roman geschrieben und ist Chefredakteurin der Zeitschrift „Land-Idee“.
Erschienen ist „Das Novembermädchen“ im Oktober 2018 im Piper-Verlag (ISBN 978-3-492-30741-3)
Eine absolut lesenswerte Geschichte, und meiner Meinung nach gerade jetzt besonders passend, wo der Weinheimer Mittagstisch in die nächste Runde geht...
Wer am Kauf des Buchs interessiert ist, kann sich gern an Bettina Ponelies, mich (Evelyn Schmidt-Bäumler) oder die Lieblingsbuchhandlung um die Ecke wenden :-)