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Auf ein Wort: Pietisten

Komisch, was manche Worte bei Leuten auslösen, die gar nicht wissen, was es meint. „Pietisten“ ist so ein Wort. Wie viele Latinismen hört es sich verstaubt und alt an. Und dass es „Alt-Pietisten“ gibt, scheint das zu bestätigen. Mancher hat da nur Vorurteile im Kopf, wie lange Röcke oder Haarknoten. Und dann gibt es natürlich all die Diffamierungen, die sich manchmal sogar in der Presse finden, wie „die Super-Frommen“, „Pietkong“ oder „schwäbische Taliban“, die sich als Scherz verkleiden, tatsächlich aber vergiftete Pfeile sind.


Doch was sind Pietisten nun? In Wirklichkeit ist der Pietismus die größte Erneuerungsbewegung der Reformation in Deutschland! So konservativ er heute auch scheinen mag, so dynamisch und progressiv war diese Bewegung ab dem 17. Jahrhundert. Als die Reformation schon nach wenige Jahrzehnte in Veräußerlichung, Politisierung und verknöcherter „Orthodoxie“ stecken geblieben war, war es der Pietismus, der die Neubesinnung auf das Evangelium von der Neugeburt durch den Glauben an Jesus brachte.


Dem Pietismus ging es dabei nicht vor allem um „die Kirche“, sondern um die Erneuerung des Glaubenslebens des Einzelnen. So entstanden „Konventikel“, in denen man privat die Bibel las und betete (der Vorläufer unserer Hauskreise); es wurde gelehrt, dass zur Taufe eine persönliche Hinwendung hinzukommen muss (was wir heute Bekehrung oder „Entscheidung“ nennen); eine besondere Betonung lag auf der Durchdringung des täglichen Lebens mit den Glauben (die „praxis pietatis“, Frömmigkeit oder Heiligung des Lebens).


So persönlich das auch war, erwuchsen gerade daraus viele Innovationen: Soziale Einrichtungen wie Waisenhäuser und Krankenhäuser wurden gegründet, das Schulwesen wurde mit den Realschulen erneuert (die nicht auf Latein und klassische Bildung zielten, sondern auf „reale“ Lebensertüchtigung), ja es entstanden ganze Siedlungen und Orte (Herrenhut in Sachsen, Königsfeld im Schwarzwald, Schlesien, USA…). Der Pietismus hatte großen Einfluss auf die Kirchenmusik und die Weltmission und der Neu-Pietismus war ein wesentlicher Impulsgeber für die Erweckungsbewegung und die Entstehung der Freikirchen im 19. Jahrhundert. Viele Linien finden ihren Ausgangspunkt bei diesen Menschen, die mit Ernst Christen sein wollten! Und bis heute zeichnen sich durch Pietismus und Erweckungsbewegung geprägte Landstriche durch lebendige Gemeinden aus!


Wie alle Bewegungen mit einer jahrhundertelangen Geschichte ist auch der Pietismus in die Jahre gekommen. Und auch Erneuerungsbewegungen brauchen immer wieder einen „Boost“. Doch während andere dafür auf Anpassung und Strukturreformen setzen, darf sich der Pietismus auf seinem Ursprungsimpuls besinnen: Aus der Hingabe an Jesus erneuerte Menschen - verändern die Welt!


Christian Pestel


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