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Was der Laie blökt

Ich sitze gerade in einem Fach-Vortrag über das Alte Testament und höre mir die neusten Forschungsergebnisse an. Aber so neu ist das alles nicht: Abraham, Isaak und Jakob hätten nie gelebt; von Mose wüssten wir nichts; die Thora sei erst um 500 v.Chr. entstanden; und die Texte seien späte Kunstprodukte, in denen man all die Brüche sähe. Doch da es alle 20 Jahre einen intellektuellen Tapetenwechsel braucht, gibt es ein paar neue Modelle und Debatten und man erzählt uns das Alte wieder neu.

Da mich das schon vor 25 Jahren nicht überzeugt hat, nutze ich die Zeit, um meine Gedanken mitzuschreiben: Was ich hier höre, das klingt so wissenschaftlich. Einige der neuen Fremdworte sollte ich mir merken, um auch einmal so beeindrucken zu können.

Doch interessant ist, was man uns NICHT sagt: Dass es auch seriöse Alternativen gibt; dass in anderen Ländern ganz anders gearbeitet wird und Europa seine Führungsrolle in der Theologie verloren hat; dass gerade die Kirchen, die auf diese Auslegungen setzen, oft massiv Mitglieder verlieren.

Und dann ist da diese verdeckte Agenda, was keiner sagt, aber jeder weiß: So, wie unter uns Fachleuten, können wir das in einer normalen, halbwegs „frommen“ Gemeinde nicht predigen. Da sollten wir lieber unklare Ausdrücken nutzen, etwa „die Autoren von Jesaja“ oder „der Mose der Mosegeschichte“. Das klingt noch gut biblisch, aber der Eingeweihte weiß, dass es Jesaja für uns nicht gab und wir Mose für eine Kunstfigur halten. In Doppeldeutigkeit können Theologen richtig gut sein.

Gleich ist der Vortrag zu Ende. Da fällt mir noch C.S. Lewis ein, der als „theologischer Laie“ vor Theologie-Studenten eine Gastvorlesung hielt unter dem Titel „Was der Laie blökt“ – nämlich ein Gemeinde-Schaf (= Laie) zu dem Hirten (= Pfarrer, Pastor). Der große Literaturwissenschaftler bringt darin intelligente Einwände gegen die Methoden liberalen Sachkritik an der Bibel: „Diese Leute (= liberale Theologen) versuchen mir weiszumachen, sie könnten zwischen den Zeilen der alten Texte lesen; dabei offenbaren sie ihre auffällige Unfähigkeit, die Zeilen selbst zu lesen.“ Mit seiner Kritik an der Bibelkritik musste sich Lewis schon 1959 gegen den Vorwurf des Fundamentalismus verteidigen: „Sie dürfen nicht allzu schwarz von uns denken. Wir sind keine Fundamentalisten. Wir sind bloß der Ansicht, diese Art der Theologie sei nicht in allen Teilen gleich überzeugend.“

Lewis Schluss könnte aktueller nicht sein. „Dies sind die Reaktionen eines blökenden Laien auf die moderne Theologie. Es kann für Sie nur nützlich sein, sie zu kennen. Sie werden sie vielleicht nicht mehr oft vernehmen. Ihre Pfarr-Kinder werden selten ganz offen zu ihnen reden. Einst war der Laie ängstlich darauf bedacht, die Tatsache zu verbergen, dass er so viel weniger glaubte, als der Pfarrer; heute neigt er eher dazu, die Tatsache zu verbergen, dass er viel mehr glaubt.“

60 Jahre später ist es noch genau dasselbe.

Christian Pestel

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