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Baptisten und Rassismus

Wer kennt sie nicht, die Szene aus dem Film „Blues Brothers“, in der Jim und Elliot in den Gottesdienst einer schwarzen Baptistengemeinde kommen und einen inspirierenden Gottesdienst erleben? Urkomisch und eine wunderbare Anregung für unsere eigenen Gottesdienste! Doch in Zeiten von „Black Lives Matter“ ist das auch ein Impuls, um über Rassismus in unserer eigenen (Konfessions-) Geschichte nachzudenken.

Es ist leicht zu denken, dass uns diese Debatte nichts angeht. Und es wäre leicht zu sagen, dass wir auf der Seite der Guten stehen, wo doch Martin Luther King Baptisten-Pastor war! Doch es ist billig, es so zu machen, wie die aktuelle Bilderstürmerei, die mit spitzen Fingern auf andere zeigt, um sich selbst gut zu fühlen.

Wir wollen lieber hinschauen, wo Rassismus uns selbst als Konfession betrifft. Und da gibt es so einiges. Am offensichtlichsten ist das, was in den USA geschehen ist: Dort spalteten sich 1845 die Baptisten der Südstaaten von den anderen ab, weil sie Sklaverei als biblisch begründet ansahen. Das ist beschämend und es sollte uns sensibel für solch einen falschen Umgang mit der Bibel machen. Die Südstaaten-Baptisten konnten das erst spät als Sünde vor Gott und als Unrecht an Menschen erkennen und sich in geeigneter Form entschuldigen.

Erstaunlicherweise aber hatte der Baptismus dennoch eine starke Anziehungskraft auf afrikastämmige Menschen (ich weiß mich kaum besser auszudrücken, weil ich niemanden diskriminieren will, mich aber auch nicht der Sprachideologie von „People of Color/POC“ unterwerfe). Obwohl also viele weiße Baptisten Sklavenhalter waren, wurden viele ihrer Sklaven Baptisten und bildeten eigene Gemeinden. Heute sind rund 1 Million der rund 16 Millionen Südstaaten-Baptisten von schwarzer Hautfarbe. Solche „schwarzen Baptistengemeinden“ in den USA können uns zugleich stolz und traurig machen – stolz, dass wir eben keine einheitliche Kirchen-Kultur haben, die durch Liturgie oder anderes zusammen gehalten wird, sondern die durch den Glauben an Jesus verbunden ist! Doch auch traurig, dass es „weiße“ und „schwarze“ Gemeinden gibt und es nur schwer gelingt, die Unterschiede in EINER Gemeinde zu überbrücken!

Dasselbe gilt ganz unmittelbar auch für uns als Gemeinde in Weinheim, denn wie wenig afrikastämmige, türkischstämmige oder iranische Menschen haben wir unter uns, wie wenig aus anderen „Milieus“ als dem bürgerlichen... Ich sage es mal pointiert: Wir haben echt kein Problem mit Menschen aus Afrika, Iran oder der Türkei – aber wir haben auch kaum Kontakte! Es gibt sie kaum in unserer Gemeinde und wir spiegeln nicht die Zusammensetzung der Gesellschaft wider. Woran liegt das? Und wie kommt es dazu? Das sind wirklich Fragen, denen wir uns stellen müssen! Die Gemeinde von Jesus Christus muss nicht auf dem Papier, sondern an jedem Sonntag widerspiegeln, dass Menschen aus vielen Herkünften zusammenkommen und ihn anbeten!

Ich weiß, dass solche offenen Überlegungen Wasser auf die Mühlen derer sind, denen die Evangelikalen ein Dorn im Auge sind, die schon immer wussten, dass wir "extrem" seien und die vom „Piet-Kong“ sprechen oder von „evangelikalen Taliban“. Doch lassen wir uns von den Diffamierungen nicht anstecken! Wir wollen mit Engagement daran arbeiten, dass Abgrenzung, Abwertung, Vorurteile oder Milieus überwunden werden durch den Glauben an Jesus. Daran, dass seine Gemeinde wirklich ein Ort von Begegnung, Versöhnung, Freundschaft und Einheit ist! Zu diesem Thema ließe sich noch viel sagen, doch dafür offen und sensibel zu werden, ist schon mal ein guter Anfang.

Christian Pestel

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