Auf ein Wort: Pharisäer
Ein Wort, das doch keiner Erklärung bedarf. Man weiß doch, was Pharisäer sind: Fromme Heuchler und scheinheilige Betrüger. Das sind, die, die sonntags in die Kirche rennen, aber ihre Putzfrau schwarz arbeiten lassen, die strenge Gesetzespredigten halten, aber Sodom und Gomorrha auf ihrer Computer-Festplatte haben! Pharisäer eben…
Parisäer waren zur Zeit von Jesus eine theologische Richtung, die „Partei“ der Frommen, die Vertreter des gesetzestreuen Judentum. Und Jesus bezeichnete sie tatsächlich oft als Heuchler. Er sagt: „Wehe euch, ihr Pharisäer, ihr Heuchler: Wie wollt ihr dem Gericht der Hölle entgehen?“ (Mt 23) Und: „Die Zöllner und die Huren kommen eher in das Himmelreich als ihr!“ (Mt 21,31) Ja, er erzählt die Geschichte von einem Zöllner, der Gott im Tempel seine Sünde bringt, während der Pharisäer sagt: „Lieber Gott, ich danke dir, dass ich kein Sünder bin, wie dieser Zöllner!“ Also ist es doch klar: Pharisäer sind selbstgerechter Heuchler - damals wie heute!
Doch Vorsicht, mein Freund! Das kann leicht nach hinten losgehen! Dachtest du da eben: „Lieber Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin - wie diese Pharisäer!“? Deine Entrüstung ist dicht dran an der Selbstgerechtigkeit und Abwertung anderer, die du an den Pharisäern kritisierst!
Tatsächlich waren die Pharisäer Jesus sehr nahe: Ihnen war es ernst mit der Liebe zu Gott; ihnen war wirklich wichtig, Gebote zu halten und Gott zu gefallen; sie glaubten an die Auferstehung der Toten und warteten auf das Reich Gottes. Die Pharisäer waren Jesus so nahe, dass er sagen konnte: „Die Pharisäer sitzen auf dem Stuhl des Mose. Alles, was sie euch sagen, das haltet, aber tut nicht nach ihren Taten.“ (Mt 23,2) Jesus aß mit ihnen (Lk 7,36; 14,1), er lobt Einzelne und manche zählten zu seinen Sympathisanten (Jh 3; 19,39). Und die Pharisäer wussten auch selbst um die Gefahr der Heuchelei. Der Talmud sagt, dass es 7 Pharisäer-Typen gäbe, etwa den oberflächlichen, den heuchlerischen oder zwanghaften Pharisäer. Nur einer sei ein „Pharisäer aus Liebe“ zu Gott (Talmud Sota S.22). Das ist wirklich eine selbstkritische Beschreibung, die uns mahnt, nicht pauschal über sie zu sprechen oder gar antisemitische Stereotypen zu bedienen.
Und darum lernen wir: Wir dürfen nicht einfach die Worte von Jesus wiederholen, ohne ihre damaligen Aussage zu kennen. Selbstgerechtigkeit kommt heute auch weniger im frommen Gewande daher, sie gedeiht auch in modernen, aufgeklärten Mileus. Gleich aber ist dies: Jesus hat Selbstgerechtigkeit und Verachtung anderer immer abgelehnt, demaskiert, doch dabei hat er niemanden auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe reduziert, wie das heute beliebt ist. Immer hat er den Einzelnen gesehen und zu einem dieser Schriftlgelehrten konnte er sagen: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes“ (Mk 12,34).
Christian Pestel
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