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Auf ein Wort: Protestanten

Ein merkwürdiges Wort für die Evangelischen und ihre Kirchen – die „Protestanten“. Was bedeutet das und was haben diese braven Kirchen mit Protest zu tun?


Es begann 1529. Nach dem Bruch durch die Reformation wollte Kaiser Karl V. die Kirchenspaltung auf dem Reichstag in Speyer überwinden. Nachdem sich einige Länder und freie Reichsstädte der Reformation angeschlossen hatten (z.B. Sachsen, Hessen, Thüringen, Brandenburg, Nürnberg), wollte er alle evangelischen Gläubigen wieder unter die römische Kirche zwingen. Als dies von der Versammlung in Speyer beschlossen wurden, verließen die evangelischen Fürsten und freie Reichsstädte den Saal. Am folgenden Tag wollten sie eine „Protestation“ einreichen, ein Rechtsinstrument, mit dem eine Minderheit ihre Rechte einbringen konnte. Es war also kein Protest gegen etwas, sondern eine positive Bezeugung (lat: „pro testari“). Es wurde ihnen nicht gestattet, diese vorzubringen oder zu verlesen, doch sie veröffentlichten diese Schrift und forderten das Recht, der heiligen Schrift und ihrem Gewissen zu folgen und gegen die Meinung der Mehrheit den evangelischen Glauben zu bewahren. Seitdem spricht man von den Evangelischen als den „Protestanten“.


Dieser Reichstag zu Speyer war eine wichtige Vorstufe zu der Glaubensfreiheit, wie wir sie heute verstehen. Damals war es völlig selbstverständlich, dass Kirche und Staat über den Glauben des Einzelnen bestimmten. Reich und Volk sollten durch den einen Glauben geeint sein. Durch die „Protestation“ wurde erstmals dem individuellen Gewissen Recht und Freiheit gegenüber Kirche und Staat eingeräumt. Und es war revolutionär, die Bibel über Kirche und Staatsräson zu stellen und – in einem engen Rahmen - dem eigenen Gewissen folgen zu dürfen.


Einen Nachgeschmack erhielt die Aktion jedoch dadurch, dass die „Protestanten“ für ihre eigene Glaubensfreiheit eintraten, sie anderen jedoch nicht zugestanden. Die Täufer, damals polemisch „Wiedertäufer“ genannt, die zu den Vorläufern auch der Baptisten zählen, wurden von den Protestanten ans Messer geliefert. Sie bestritten deren Recht auf eine eigene Glaubensgestaltung, sie forderten deren Bekämpfung und in der Bekenntnisschrift „Confessio Augustana“ von 1530 sprachen sie mehrfach ein Anathema, einen kirchlichen Bann, aus. In 80 Jahren wurden 4-5000 Täufer getötet, und zehntausende gefoltert, enteignet oder aus ihrer Heimat verbannt. Es war leider ein langer Weg bis zu der Glaubens- und Gewissensfreiheit, die wir heute haben.


Streng genommen sind die Mennoniten (und die später entstandenen Baptisten) also keine „Protestanten“, da der Protest ursprünglich diejenigen ausschloss, die für die Glaubenstaufe eintraten. Aber so kleinlich wollen wir nicht sein. Wir schauen auch nicht zurück, sondern wir wollen mit allen Jesusgläubigen im Ur-Sinne „Protestanten“ sein, die ihren Glauben an fröhlich Jesus bezeugen – und für die Rechte jedes Atheisten, Moslems, Buddhisten und Desinteressierten eintreten, jederzeit seinen eigenen Glauben wählen oder wechseln zu dürfen.

Christian Pestel


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