Kaum zu glauben … und ein Abenteuer der besonderen Art
Ich weiß noch, wie wir vor dem Vorstellungsgespräch in Weinheim auf der Autobahn im Stau standen, unter Zeitdruck gerieten und dann aus der Not heraus die anderen stehenden Autos abklapperten, um jemand mit Handy zu finden und den anstehenden Bewerbungstermin in Weinheim zu verschieben. Das ist jetzt alles 15 Jahre her. So lange haben Christian und ich noch nirgendwo gewohnt. In der Zeit fließt ganz schön viel Wasser die Weschnitz hinunter. Damals waren unsere Jungs noch Vorschulkind und Erstklässler. Kaum zu glauben, wenn man sie jetzt sieht.
Wir sind hier Zuhause. Das heißt: Viele wirklich gute Freunde und Bekannte, kein Gang in die Stadt oder zum Einkauf, auf dem man nicht jemandem über den Weg läuft, und in erster Linie die Vertrautheit mit der Gemeinde. Wie in einer Familie haben wir hier Hochzeiten miterlebt, Babys bestaunt, Glaubenszeugnisse geteilt und Taufen mitgefeiert. Wir haben zusammen Urlaub gemacht und Gemeindefreizeiten gehabt, gemeinsam im Garten gearbeitet und Sport gemacht. Wir haben zusammen gegessen, sind im Kino gewesen und waren als Gemeinde in der Stadt präsent. Die Liste könnte man leicht noch verlängern. Aber wir haben auch aneinander gelitten, Spannungen ertragen, Vergebung und Versöhnung erlebt. Aber genau das heißt es doch, wenn wir gemeinsam dabei sind, Jesus ähnlicher zu werden und Ihn besser kennen zu lernen. Wir sind inzwischen andere geworden als wir gekommen sind, Gott sei Dank!
Was für ein guter Plan Gottes! Und trotzdem gehen wir. Es ist ein langgehegter Wunsch, der uns wieder ins Bewusstsein kam. „Ein Einsatz im Ausland“ war für Christian die Antriebsfeder für sein Forststudium und bei mir fürs Theologiestudium. Das ist lange her, aber nun scheint es wahr zu werden. Christian hat ab Juni 2022 eine Anstellung als Pastor in der Stadtmission in Swakopmund/Namibia. Swakopmund liegt am Atlantik im Südwesten von Afrika, genau zwischen dem rauen Atlantik und der ältesten Wüste der Erde. Die Stadt hat in etwa so viele Einwohner wie Weinheim, ca. 5% davon sind deutschstämmig und sprechen auch noch Deutsch. Die Gemeinde dort ist 2008 aus einer evangelistischen Arbeit entstanden und hat gut 70 Mitglieder. Seit nun zwei Jahre suchen sie einen neuen Pastor. Über persönliche Kontakte haben wir davon erfahren und erleben, wie Gott Dinge lenkt und Erstaunliches tut. Die Gemeinde in Swakopmund hat einige Hauskreise und Gebetskreise und ist nach außen aktiv. Sie machen unter anderem Einsätze in einer Klinik und arbeiten in einer diakonisch-evangelistischen Arbeit in dem Armenviertel (DRC) mit. Dorthin gehen sie mit Essen (Sandwiches, Kuchen, Keksen, Saft und Obst) und einem Wort von Jesus, bieten aber auch handwerkliche Projekt mit anschließendem Verkauf in einem ausgebauten Container an. Die Gemeinde hat eine Gemeindediakonin, so dass Christian eine Kollegin haben wird. Wir werden uns ab voraussichtlich Juni mit einbringen. Auf die andere Kultur und auf all die Möglichkeiten, die es dort gibt, sind wir sehr gespannt.
Was aber in all dem Wunsch nach Auslandseinsatz und Erfahrung für mich (Dörthe) der Kern ist, ist die Sehnsucht, Gott ganz tief und nah zu erleben. Das klingt vielleicht etwas verklärt. Ich will es ein bisschen verständlicher machen. Ich bin überzeugt davon und erlebe es zunehmend, dass Gott antwortet und handelt, wenn ich Ihn suche und bitte. Ich rede jetzt mal nur von mir. Ich erlebe mich hier im gesettelten Umfeld, mit vielen vermeintlichen Sicherheiten und Routinen als geborgen und sicher, um nicht zu sagen autark. Ich glaube, das macht es mir schwerer, Gottes Hilfe zu suchen, Ihm zu vertrauen und Ihn konkret und wunderbar zu erleben. Und da ich mich in so einem gewohnten Umfeld schwertue, aus meiner Komfortzone zu treten, sehe ich hier meine große geistliche Chance, Gott neu zu erleben. Ich und wir erleben Ihn schon konkret in Umständen, die Er wundersam vorbereitet hat, Gelegenheiten, die nicht menschlich geplant sein können, aber auch einiges an Ohnmacht und Überforderungsgefühl – doch wahrscheinlich schauen wir erst auf Jesus, wenn die eigenen Möglichkeiten am Ende sind. So ist es ein großes Abenteuer - einerseits in so ein tolles Land wie Namibia ziehen zu dürfen, vor allem aber, an Gottes Hand Seine Größe persönlich und ganz existentiell zu erleben.
Und von Herzen sagen wir: Danke für die gute Zeit, für authentisch geteiltes Leben und die gemeinsame Nachfolge. Das begleitet und ermutigt uns – und euch hoffentlich auch.
Herzliche Grüße
Dörthe Pestel
Ein nicht unwesentliches Nachwort: Unsere Jungs bleiben in Deutschland, Micha in Weinheim, um seine Ausbildung weiterzumachen und Philipp studiert weiter. Wo er seinen Master macht, ist noch offen.
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