Leitartikel Dezember/Januar 2019/20
„Das Volk, das in der Finsternis lebt, sieht ein helles Licht… Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter.“ (Jes 9,1.5)
Dezember 1914 an der Westfront: Nach dem schnellen Angriff der Deutschen auf Belgien und Frankreich, liefern sich beide Seiten bald einen ruinösen Stellungskrieg. In Schützengräben stehen beide Seiten dicht beieinander, oft nur wenige Meter voneinander entfernt. Auf beiden Seiten lebten die Soldaten in Kälte, Schlamm und mit dem Tod. Und dann wurde es Weihnachten.
Wie es begann ist nicht ganz klar, doch bei Ypern in Belgien fingen wohl deutsche Soldaten an Weihnachtslieder zu singen. Auch Weihnachtsbäume soll es gegeben haben.
Die belgischen, französischen und englischen Soldaten auf der anderen Seite begannen dann auch Weihnachtslieder zu singen. Damals wurde die katholische Messe noch überall auf Latein gehalten, so dass man sich „verstand“! Und wer so singt, der schießt nicht! Einzelne Soldaten kamen aus den Gräben und gingen aufeinander zu. Sie sprachen miteinander, zeigte sich Bilder ihrer Lieben zuhause und tauschte Zigaretten aus. Erst waren es nur einfache Soldaten, doch dann kamen auch Offiziere dazu und ignorierten ihre Schießbefehle. Wer will schon auf andere schießen, wenn die wehrlos auf einen zukommen? Sogar ein Fußballspiel zwischen Deutschen und Engländern soll es gegeben habe!
Von Ypern aus breitete sich ein „illegaler“ Waffenstillstand an der Westfront aus, der sogenannte Weihnachtsfriede. An verschiedenen Frontabschnitten kam es so zu einer Waffenruhe.
Die Heeresführungen konnten das natürlich nicht dulden, doch es fiel ihnen schwer, diesen Frieden zu brechen. Wer kann schon auf Unbewaffnete schießen, wer will schon die umbringen, mit denen er eben noch zusammen geraucht hat? An einigen Frontabschnitten dauerte es tagelang, bis man die Soldaten wieder dazu brachte, aufeinander zu schießen.
So ist Weihnachten, so kann Weihnachten sein: Frieden, der jeden aus seiner Stellung holt, der sich ausbreitet, der stark und kaum zu brechen ist. Und wenn es gar Gott selbst ist, der Frieden mit mir macht, wenn er aus „seiner Deckung kommt“ und mir in Jesus entgegentritt - wie könnte dann ich weiter verschanzt bleiben? Wie könnten wir da unsere Aversionen weiter pflegen?
In der Extremsituation des Krieges wurde deutlich, was Weihnachten bedeuten kann. Da sollte es doch erst recht möglich sein, das in diesen viel leichteren Tagen zu leben: Weihnachtsfriede von Gott – zu mir – zum Ehepartner – in die Familie hinein – zu den Nachbarn – zu den Einsamen – in die Gesellschaft. „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben…“
Christian Pestel