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Blick über die Stadt

Mit etwas Glück kann man in Weinheim eine merkwürdige Gruppe antreffen: 8-12 Personen, die umherlaufen und sich angeregt unterhalten, die an markanten Punkten stehen und reden - und manchmal wirkt es, als würden sie dort beten….

Wer das sieht, hat vermutlich den „Blick über die Stadt“ getroffen, eine ökumenische „Weggemeinschaft“. Seit 6 Jahren schon fragen wir uns als Christen aus kath. Kirche, ev. Kirche, Liebenzeller Mission und unserer Gemeinde, was Gott in Weinheim tun will. Und da dies in den Stadtteilen, Schulen und sozialen Brennpunkten besser zu sehen ist, als in netten Gemeinde-Räumen, laufen wir umher, reden und beten.

Ein wesentlicher Ertrag dieser Gruppe ist, dass peu a peu echtes Vertrauen gewachsen ist. Das klingt lapidar, doch das allein war die Grundlage für die schier „unmögliche“ Anstellung von Laith Mtity als gemeinsamer Integrationshelfer der katholischen Kirche und unserer Gemeinde!

Doch neue Zeiten brauchen neue Antworten. Und so hatten wir das Bedürfnis, einmal längere Zeit miteinander zu verbringen. Im Juli sind wir daher mit 10 Personen für 3 Tage nach Ottmaring bei Augsburg gefahren (von uns aus dabei: Karl-Theo von der Trenck, Dörthe und Christian Pestel). Auch dort haben wir die Augen aufgehalten, was Gott tut – etwa in der kath. Fokular-Bewegung und der ev. „Bruderschaft“ in Ottmaring, in der Geschichte Augsburgs ( „Augsburger Bekenntnis“ [1530], Augsburger Religionsfrieden [1555]), „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ [1999]). Doch besonders eindrücklich war für uns die Gegenwart und der Besuch im Gebetshaus Augsburg: Mehr als 50 junge Leute beten hier rund um die Uhr! Tag und Nacht, 7 Tage in der Woche beten sie – um Gott zu loben und Anliegen vor ihn zu bringen! Die Atmosphäre und der jugendliche Elan haben uns tief beeindruckt. Das ist keine institutionelle Ökumene mit schönen Dokumenten, sondern Gemeinschaft aus dem Mittelpunkt Jesus Christus! Sehr anschaulich wurde das in einer Lehreinheit von Johannes Hartl, der aus dem Buch Jesaja ganz zentral Jesus als den angekündigten Gottesknecht und Retter zeigte.

Für mich war bewegend, was Gott unter uns selbst tut: Wir haben gemeinsam geschwiegen, gebetet und über persönliche oder theologische Fragen geredet. Dabei wurde deutlich, wie tief wir alle von den Spannungen der Kirchengeschichte geprägt sind: Als es um die Täufer der Reformationszeit ging, fragte jemand, ob das die „Wiedertäufer“ seien – und ich konnte erklären, dass das ein polemischer Begriff sei und man heute von „Täufern“ rede. Sehr schön, da war ich aus dem Schneider. Doch als wir später über den Ablass der kath. Kirche sprachen, war ich es, der die 500 Jahre alten Argumente der Reformation auspackte – und ich musste mir eingestehen, dass ich gar nicht wusste, was die katholische Kirche heute tatsächlich über den Ablass lehrt (Ja, es gibt ihn noch und das Konzept überzeugt mich wirklich nicht :-), aber meine eigenen Vorurteile zu erkennen, war für mir sehr wichtig!).

Doch so ein Prozess des Kennenlernens ist gefährlich! Wenn man nicht aufpasst, stellt man zuletzt fest - - dass man die anderen wirklich mag!! Nicht auszudenken: Da sind Leute aus Kirchen, zu denen man große Distanz hat – und sicherheitshalber auch zu den Leuten dort – doch plötzlich merkst du, dass du sie magst! So geht es mir.

Wenn das geschieht, dann ist die Frage, wer denn diese unerwartete Liebe angestoßen hat, wer in den gläubigen Christen aller Kirchen lebt und uns verbindet. Und das sind nicht die Kirche oder die Taufe, sondern allein Jesus Christus und der Glaube an ihn! Er ist es, der die Liebe in uns weckt! Durch das Schauen auf ihn kommen wir einander nahe! Bei ihm lernen wir miteinander und voneinander. Was für eine Freude, dass Jesus heute noch so wirkt und wir als Jesus-Gläubige der verschiedenen Gemeinden zusammengehören! Nicht auszudenken, was geschehen kann, wenn wir das entdecken, wenn wir darauf vertrauen und gemeinsam handeln – mit Jesus im Mittelpunkt.

Christian Pestel

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